Defocus

Lichter einer Großstadt
Über die Serie „Defocus“ (2015/16) von Björn Pados

Seit der Erfindung der Fotografie sind die Erwartungen des Betrachters an das (fotografische) Bild gestiegen: Schärfe und Brillanz der Abbildung sind zwischenzeitlich selbst beim Smartphone Anforderungen, die durch immer bessere Kameratechnik und höhere Auflösung erfüllt werden. Wenn aber jeder problemlos gute Fotos machen kann, was zeichnet dann die künstlerische Fotografie aus? Es ist der bewusst andere Blickwinkel, die gezielt andere Einstellung, oft auch die einem normalen Gebrauch zuwider laufende Nutzung der Kamera oder ihrer Komponenten, die Erstaunliches, Überraschendes, Besonderes zutage fördert.

In seiner jüngsten Serie „Defocus“ zielt Björn Pados genau darauf: Er defokussiert bewusst und rückt damit das eigentlich Nebensächliche, die Lichter und Reflexe der Großstadt, in den Blickwinkel des Betrachters. Und da seit geraumer Zeit Städte einen Attraktivitätsboom erleben, ist es naheliegend, dass sich Björn Pados die Großstadt zum Objekt seiner Fotografien gewählt hat. Seine Arbeiten thematisieren die weltweite nächtliche Beleuchtung, die insbesondere bei Ballungsräumen selbst aus dem Weltall zu sehen ist, die den Globus nicht mehr nur zum blauen, sondern auch zum leuchtenden Planeten macht. Dabei nähern sich Großstädte und Ballungsräume durch die Globalisierung und die ihr vorangegangene Technisierung zusehends einander an. Deshalb ist ihre Lokalisierung über das dreibuchstabige Flughafenkürzel (IATA-Codes = Codes der International Air Transport Association) ebenso treffend als Referenz an die Globalisierung, wie der damit einhergehende Abstraktheitsgrad. Ob nun im defokussierten Fokus von Björn Pados New York, Rio, Paris, München oder Frankfurt thematisiert werden, spielt eigentlich keine zentrale Rolle. Denn es handelt sich nicht um touristische Bilder, sondern um die Lichtquellen und Reflexe der (nächtlichen) Großstadt, die, das ist das zentrale Moment von Björn Pados, global ähnliche Bilder liefern. Die harmonisch-abstrakte Farbkombination lässt dabei die Hektik und Geschwindigkeit, die die Stadt im Allgemeinen prägt, zugunsten eines poetisch-irrlichternden Farbklangs zurücktreten. Björn Pados gibt damit der Großstadt auch einen Hauch der verheißungsvollen Freiheit zurück, den sie in früheren Jahren – man denke an den viel zitierten Ausspruch „Stadtluft macht frei“, aber auch an die Filme, die die Romantik der Großstadt feiern  – an die Allgegenwart des großformatigen (Bewegt-)Bilds  verloren hat.

Dr. Chris Gerbing, 2016